„#Hashtags. Schöne neue reale Welt “ (Vernissage 9.11.2019)

 

Im Rahmen der Ausstellung #Hashtags. Schöne neue reale Welt ist das jüngste Schaffen von zehn Künstlerinnen und Künstlern zu sehen. Initiatorin der Ausstellung ist die „vielfaeltig“ Produzentengalerie, in deren Sinn es liegt, Raum für Identität, Verbindungen und Verbundenheit zu schaffen. Ziel der Produzentengalerie ist es, dem üblichen Programm der Kunstüberhitzung und dem Personenkult mit eigener Haltung gegenüberzustehen. Dieser Grundsatz zeigt sich auch in der Wahl des Ortes für diese Ausstellung, wobei zu erwähnen ist, dass die Galerie keinen festen Standort hat. In der Flumserei finden unter einem Dach Firmen und Veranstaltungen aus den unterschiedlichsten Bereichen Raum im Gebäude der einstigen Baumwollspinnerei. Die gemeinschaftlich organisierten Kunstschaffenden der Produzentengalerie realisieren pro Jahr bis zu drei feststehende Projekte in Form von Ausstellungen oder Messeauftritten mit zeitgenössischer Kunst.

Für diese Ausstellung haben alle beteiligten Künstlerinnen und Künstler ihren hier gezeigten Werkgruppen jeweils zusätzlich zu den Bildtiteln einen Hashtag hinzugefügt. Indem sie sich die gängige Sprache der sozialen Medien aneignen und in den Kunstraum überführen, gelingt ihnen die Erschaffung einer eigenen, kleinen Parallelwelt. In der Ausstellung wird eine Alternative zum schnelllebigen Bilderkonsum gegeben und dem digitalen Bilderfluss die reale Erfahrung eines Kunstwerkes entgegengesetzt.

Gleichzeitig findet eine Verhandlung der Realität und deren Darstellbarkeit anhand des Naturbegriffs und seiner Dehnbarkeit statt. So schafft Marie Pierre Gabath mit Pastell dynamische Farbformen und Verformungen. Die unterschiedlichen Farbstränge windet sie in ihren Werken so umeinander, dass teilweise plastische Effekte entstehen. Die Künstlerin setzt für ihre hier gezeigten Werke den Hashtag Natur, wobei man nicht umhinkommt, bei ihren Kompositionen an Zellstrukturen und Mikroorganismen zu denken, die in ihrer Anordnung Bewegung zu evozieren scheinen. Durch die künstliche Farbgebung dieser Strukturen bricht Pierre Gabath aber gleichzeitig mit einer naturalistischen Zeichnung der Natur.

Unter dem Hashtag Vernetzungen malt Gisèle Gilgien mit Acryl vielschichtige Linienverstrebungen auf Leinwand. Die gemalten Fasern bedecken an einzelnen Stellen die ganze Bildfläche oder verdichten sich zu einem breiteren Strang, wobei zwischendurch Leerräume entstehen. Lichtakzente rhythmisieren die in alle Richtungen verlaufenden, frei im Bildraum stehenden Linien. In Gilgiens Werken stehen sich Malerei, Technik und Natur gegenüber. Den als solchen kenntlich gemachten Pinselstrichen setzt sie der Computertechnik entliehene Bildtitel entgegen oder lässt Assoziationen mit biologischen Vernetzungen zu. Was alle drei Bereiche verbindet, ist die zufällig erscheinende Linienführung, die tatsächlich äusserst präzise angelegt ist und die Linie als Trägerin von Energie.

Filiberto Montesinos Castañón inszeniert in seinen Gemälden einzelne Blütenköpfe oder Ausschnitte aus einem Dickicht von Blättern mit sattem Kolorit. Dabei bedient er sich einer Farbpalette, die sowohl eine realistische Darstellung der Natur sowie ihre grelle Überspitzung oder blasse Poetisierung mit sich ziehen kann. Mit dem Hashtag Nature verweist der Künstler zusätzlich auf diese Ambivalenz seiner Werke, die er mit äusserster Präzision mit Öl und Sand auf Holz ausführt. Er zieht somit den Dialog mit der Natur bis in die Materialität seiner Werke fort und übersetzt den Malstil seines künstlerischen Vorbilds, Georgia O’Keeffe, in ein neues Medium.

Zwei andere Künstlerinnen befassen sich wiederum mit Lebenswelten. Das medienübergreifende Arbeiten von Kerstin Heinze-Grohmann steht im Kontext der Ausstellung unter dem Hashtag Leben. Die von Fadengrafik gerahmten Bilder zeigen destruktive Bildinhalte, deren comicartige Figuren zu Protagonisten abgebrochener Narrative werden. Es findet in ihren Werken eine Verhandlung von Serialität, Gleichzeitigkeit sowie Diskontinuität statt. Über Fragmente der Zeichnung und der Fadengrafik, die hier teilweise in die Bildfläche greift, werden Fragen zur Begrenzung und Entgrenzung des Bildraumes aufgeworfen. Ausserdem übersetzt Heinze-Grohmann einzelne Bildmomente ins Textile und stellt ihren malerisch-zeichnerischen Werken eine gehäkelte Installation gegenüber.

Die zunächst durch Farbschichten und Farbüberlagerungen abstrakt gestalteten Werke von Heike Röhle  werden von der Künstlerin in Mixed-Media Technik überarbeitet und mit figürlichen Elementen ergänzt. Sie zeichnet und collagiert Bildflächen, die zu Erfahrungsräumen werden. Ohne einem bestimmten Narrativ zu folgen, führt sie momentane malerische Momente in Pastelltönen oder dichten, dunkleren Tönen mit vertrauten Bildelementen zusammen. Die hier gezeigten Werke aus ihrer Serie Keep and guard your heart scheinen einen zeitlosen Raum zu öffnen, für den die Künstlerin den Hashtag menschlich setzt.

Auch für die nachfolgenden Künstlerinnen ist ein bestimmter Grad an Abstraktion bestimmend für ihre Werke, wobei sie alle auf unterschiedliche Weise die schwarze Linie als Gestaltungselement einsetzen. Friederike Vesely arbeitet mit Mischtechnik und nimmt in ihren Werken eine Deklination des vorwiegend weiblichen Körpers vor. Dabei setzt sie sich sowohl mit unterschiedlichen Formensprachen sowie mit kunsthistorischen Topoi auseinander. Bei ihr lässt sich die Verwendung der schwarzen Linie zur Akzentsetzung feststellen, die bisweilen zeichnerische Züge annimmt. Ihre Werke thematisieren im Zusammenspiel von Farbe, Zeichnung und Struktur das Einnehmen des Bildraumes durch eine Figur. Versteht man den von Vesely gewählten Hashtag ZukunftBlick zurück wörtlich, wird man auf die unterschiedlichen, durch die Figuren angedeuteten Blickrichtungen aufmerksam.

Merhaba Schaich setzt für ihre hier gezeigten Werke den Hashtag Elementar. Sie zeigt in ihren Gemälden die Möglichkeiten der Malerei mit Acryl, welches sie sehr lasierend auf Canvas aufträgt. Ihren Werken wohnt daher eine Ästhetik von Aquarellen im Grossformat inne. Neben lichten Leerstellen und einem monumentalen Farbauftrag tritt der schwarze, expressive Pinselstrich Schaichs als Gestaltungsmoment in ihren Werken auf. Hier und da erscheinen auch körperliche Formen in den ansonsten abstrakten Kompositionen. Schaich lässt sich bei der Entstehung ihrer Werke von Musik leiten, die auf dem Klavier gespielt wird. Ihre Werke zeichnen sich durch Leichtigkeit und eine gestische Gestaltung aus.

Zoja Brülisauer kreist ein, wählt aus und ordnet ihre Werke unter Einsatz einer diversen und dennoch harmonischen Farbpalette. Der Farbauftrag ist auch in ihrem Fall oftmals lasierend. Sie spielt mit der Verschleierung und gleichzeitigen Öffnung des Betrachterblickes und schafft eine Art «Sehgitter», die sie über ihre in Acryl ausgeführten Gemälde legt. Die schwarze Linie dient auch ihr zur Akzentsetzung, wobei Brülisauer sie mal frei geschwungen, mal als dichteren Cluster oder als Kreis auftreten lässt. Der Hashtag Kreis ist bei ihr neben der Form eine Auseinandersetzung mit der Farbe und tritt in Brülisauers Œuvre medienübergreifend auf.

Mit dem Hashtag Pigmente macht die Künstlerin Elisabeth Röder den direkten Verweis auf das von ihr unter anderen verwendete Material für die Ausführung ihrer Gemälde. Sie variiert dieselbe Bildform in den einzelnen Werken und führt dem Betrachter den Bildtiteln zufolge einen Hauch von Leben oder von Lavendel vor. Ornamentale Felder durchziehen den einfarbigen Bildgrund, treten auf ihm hervor und in Dialog zu einander. Die subtilen Farbveränderungen, die Röder von Werk zu Werk vornimmt, betonen die Eigenart jedes einzelnen Werkes. Innerhalb der Felder erscheint Röders Farbauftrag als rauer Abdruck des Pinsels, ebenmässige Fläche oder satt ausgeführte und teilweise gespritzte Farbspur unter anderem in Schwarz.

Die druckgrafisch anmutenden Gemälde von Barbara Freiberghaus sind illusionistische Konstruktionen, die sich um die Auflösung des Bildgrundes drehen. Bei ihrer Arbeit mit Pigmenten auf Leinwand scheint sie das Gewebe der Leinwand aufzutrennen und verschiedene Papierschichten abzuschälen. Der Linie als Gestaltungselement kommt in ihrem Werk eine bestimmende Rolle zu. Sie setzt die schwarze Linie geordnet als Schraffur zur Erzeugung von Flächigkeit ein oder lässt sie frei verlaufen, wobei sie einen ornamentalen Charakter annimmt. Mit dem Hashtag geschichtenaufleinwand kommt es zum Zerfall und der Verselbständigung der Bildfläche. Der oberflächlichen, digitalen Bildwelt, auf die der Titel der Ausstellung anspielt, wird eine echte Auseinandersetzung mit dem Bild und seinem Grund entgegengestellt – schön, neu, real.

 

– Annina Pandiani